Bericht
Maerz
Es ist uns erinnerlich, wie Philippus Neri den Besuch der sieben Hauptkirchen Roms sich oefters zur Pflicht gemacht und dadurch von der Inbrunst seiner Andacht einen deutlichen Beweis gegeben. Hier nun aber ist zu bemerken, dass eine Wallfahrt zu gedachten Kirchen von jedem Pilger, der zum Jubilaeum herankommt, notwendig gefordert wird und wirklich wegen der weitentfernten Lage dieser Stationen, insofern der Weg an einem Tage zurueckgelegt werden soll, einer abermaligen anstrengenden Reise wohl gleichzuachten ist.
Jene sieben Kirchen aber sind: St. Peter, Santa Maria Maggiore, San Lorenzo ausser den Mauern, San Sebastian, San Johann im Lateran, Santa Croce in Jerusalem, San Paul vor den Mauern.
Einen solchen Umgang nun vollfuehren auch einheimische fromme Seelen in der Karwoche, besonders am Karfreitag. Da man aber zu dem geistlichen Vorteil, welchen die Seelen durch den damit verknuepften Ablass erwerben und geniessen, noch einen leiblichen Genuss hinzugetan, so wird in solcher Hinsicht Ziel und Zweck noch reizender.
Wer naemlich nach vollbrachter Wallfahrt mit gehoerigen Zeugnissen zum Tore von San Paul endlich wieder hereintritt, erhaelt daselbst ein Billet, um an einem frommen Volksfeste in der Villa Mattei an bestimmten Tagen teilnehmen zu koennen. Dort erhalten die Eingelassenen eine Kollation von Brot, Wein, etwas Kaese oder Eiern; die Geniessenden sind dabei im Garten umher gelagert, vornehmlich in dem kleinen daselbst befindlichen Amphitheater. Gegenueber in dem Kasino der Villa findet sich die hoehere Gesellschaft zusammen; Kardinaele, Praelaten, Fuersten und Herren, um sich an dem Anblick zu ergoetzen und somit auch ihren Teil an der Spende, von der Familie Mattei gestiftet, hinzunehmen.
Wir sahen eine Prozession von etwa zehn—bis zwoelfjaehrigen Knaben herankommen, nicht im geistlichen Gewand, sondern wie es etwa Handwerkslehrlingen am Festtage zu erscheinen geziemen moechte, in Kleidern gleicher Farbe, gleichen Schnitts, paarweise, es konnten ihrer vierzig sein. Sie sangen und sprachen ihre Litaneien fromm vor sich hin und wandelten still und zuechtig.
Ein alter Mann von kraeftigem handwerksmaessigen Ansehn ging an ihnen her und schien das Ganze zu ordnen und zu leiten. Auffallend war es, die vorueberziehende wohlgekleidete Reihe durch ein halb Dutzend bettelhafte, barfuss und zerlumpt einhergehende Kinder geschlossen zu sehen welche jedoch in gleicher Zucht und Sitte dahinwandelten. Erkundigung deshalb gab uns zu vernehmen: Dieser Mann, ein Schuster von Profession und kinderlos, habe sich frueher bewogen gefuehlt, einen armen Knaben auf—und in die Lehre zu nehmen, mit Beistand von Wohlwollenden ihn zu kleiden und weiterzubringen. Durch ein solches gegebenes Beispiel sei es ihm gelungen, andere Meister zu gleicher Aufnahme von Kindern zu bewegen, die er ebenfalls zu befoerdern alsdann besorgt gewesen. Auf diese Weise habe sich ein kleines Haeuflein gesammelt, welches er zu gottesfuerchtigen Handlungen, um den schaedlichen Muessiggang an Sonn—und Feiertagen zu verhueten, ununterbrochen angehalten, ja sogar den Besuch der weit auseinander liegenden Hauptkirchen an einem Tage von ihnen gefordert. Auf diese Weise nun sei diese fromme Anstalt immer gewachsen; er verrichte seine verdienstlichen Wanderungen nach wie vor, und weil sich zu einer so augenfaellig nutzbaren Anstalt immer mehr hinzudraengen, als aufgenommen werden koennten, so bediene er sich des Mittels, um die allgemeine Wohltaetigkeit zu erregen, dass er die noch zu versorgenden, zu bekleidenden Kinder seinem Zuge anschliesse, da es ihm denn jedesmal gelinge, zur Versorgung eines und des andern hinreichende Spende zu erhalten.
Waehrend wir uns hievon unterrichteten, war einer der aelteren und bekleideten Knaben auch in unsere Naehe gekommen, bot uns einen Teller und verlangte mit gutgesetzten Worten fuer die nackten und sohlenlosen bescheiden eine Gabe. Er empfing sie nicht nur von uns geruehrten Fremden reichlich, sondern auch von den anstehenden sonst pfennigkargen Roemern und Roemerinnen, die einer maessigen Spende mit viel Worten segnender Anerkennung jenes Verdienstes noch ein frommes Gewicht beizufuegen nicht unterliessen.
Man wollte wissen, dass der fromme Kindervater jedesmal seine Pupillen an jener Spende teilnehmen lasse, nachdem sie sich durch vorhergegangene Wanderung erbaut, wobei es denn niemals an leidlicher Einnahme zu seinem edlen Zwecke fehlen kann.